Nach mehr als 1000 Gutachten in den letzten Jahren und etwa 100 Gerichtsverfahren schlagen Kreditsachverständige und Verbraucherschützer jetzt Alarm: Banken würden bei Krediten systematisch Zinsen falsch berechnen — zum massiven Nachteil der Kunden. 15 Milliarden Euro jährlich, schätzt der Bundesverband der Kreditsachverständigen, würden die Banken so an zu hohen Zinsen kassieren. Doch wer kontrolliert die Kreditinstitute und deren Zinsgeschäfte? Die staatliche Bankenaufsicht und das Bundesfinanzministerium sehen hier keinerlei Handlungsbedarf. Ein Freibrief für falsche Zinsberechnungen
Interview mit Olaf Kumpfert
Zinsrechnungen: „Systematisch und mit Vorsatz falsch“
Die falschen Zinsrechnungen zahlreicher Banken können kein Zufall sein – so das knallharte Fazit des Journalisten Olaf Kumpfert.
DHB: Wieso stellen viele Bankkunden die Zinsberechnungen nicht in Frage?
Kumpfert: Während beim normalen variablen Zins viele Kunden wissen, dass dieser zusammen mit dem Diskontsatz rauf und eben auch runter gehen muss, ist das beim Sonderfall Kontokorrent anders. Viele Menschen glauben, den dürften die Geldinstitute noch immer – wie früher – nach eigenem Gutdünken festlegen. Das ist aber nach obergerichtlicher Rechtsprechung schon seit vielen Jahren anders, die Banken müssen auch hier den Zins nach einem geregelten System anpassen – nach oben und nach unten.Unsere Serie zum Thema „Zinstricks“:
DHB: Welche Schlüsse haben Sie aus Ihren Recherchen gezogen?
Kumpfert: Durch viele Gespräche mit den Kreditsachverständigen lagen mir Anhaltspunkte vor, dass die Falschrechnungen von Banken nicht immer nur Einzelfälle oder Unfälle sind. Ich bin von Sachverständigem zu Sachverständigem gefahren und habe erstmals die Falschrechnungen von Banken in einem Katalog erfasst und verglichen. Dabei wurde schnell deutlich, dass ein Großteil (etwa 80 Prozent der Falschrechnungen) bei allen Kreditsachverständigen gleich auftraten. Nach der Analyse von 171 Gutachten lag die erste Fehlerstatistik von Banken überhaupt vor, die zeigt, dass Geldhäuser quer durch die unterschiedlichen Bankensysteme die gleichen Fehler begehen. Fehler ist zu wenig gesagt, es sind ja keine Unfälle. Man muss sich mit dem Gedanken vertraut machen, dass es auch Banken gibt, die systematisch und mit Vorsatz falsch rechnen.
DHB: Sie haben für das Buch auch mit ehemaligen Bankvorständen gesprochen. Was haben sie dazu gesagt?
Kumpfert: Die meisten haben geschwiegen und gelächelt. Nur wenige bestätigten: Bankmitarbeiter werden mit hohen Leistungszielen unter Druck gesetzt. Erreichen sie ihre Leistungsziele nicht, bietet die EDV den Mitarbeitern Möglichkeiten an, Kundendaten so zu verändern, dass die Bank höhere Einnahmen erzielt. Davon profitieren auch die Mitarbeiter mit einer Gutschrift auf deren Leistungsbilanz. Die Mitarbeiter müssen entscheiden, ob sie ehrlich arbeiten wollen – oder ob sie auf einfache aber rechtswidrige Weise ihre Zielvorgaben erreichen – und damit auch ihr volles Gehalt am Jahresende bekommen.
Kumpfert: Es gibt Verdachtsmomente – wenn man weiß, dass Banken falsch rechnen. Dann kann man die Konto- und Kreditverträge auf die linke Seite legen und rechts daneben die Kontoauszüge. Wenn man genau hinschaut und ein wenig rechnet, dann findet man schon den einen oder anderen Fehler. Aber nie alle Tricks. Schon gar nicht bei Kontokorrenten, bei denen viele Institute das meiste Geld rechtswidrig von den Kundenkonten abschöpfen. Handwerker rechnen gerne ihre Projekte darüber ab. Um solche Konten zu prüfen, benötigt man aber zu viel Spezialwissen, um Bankeinzüge noch selber prüfen zu können. Aber niemand hegt ja diesen Verdacht, das Kreditinstitute falsch rechnen, deshalb vertrauen fast alle ihrer Bank. Wenn auch noch der Steuerberater die Kreditkosten kritiklos übernimmt, dann geht das so in die Steuerrechnungen und der Handwerker glaubt, alles sei in Ordnung. Dass doch nicht alles in Ordnung war, merken die Betriebe erst, wenn die Insolvenz droht, und der Meister nach jedem Strohhalm Buchtipp: Olaf Kumpfert: Zinsklau. Econ 2013, 398 Seiten, 19,99 Euro. Zu bestellen im VH-Buchshop bei Bärbel Nass, Tel.: 0211/3 90 98-64 oder per E-Mail:nass@verlagsanstalt-handwerk.de.greift und seine Konten prüfen lässt. Dann erfährt er vielleicht, dass seine Schieflage durch Falschberechnungen seiner Bank entstand und er vielleicht gar keine Schulden hat – so etwas stellten Sachverständige schon häufiger fest.DHB: Wie oft kamen Handwerker in den von Ihnen untersuchten Fällen vor?
Kumpfert: Ich habe einige, aber wenige Handwerker für mein Buch besucht. Die waren richtig sauer, als sie feststellten, dass ihre Bank sie über Generationen betrogen hatte. Selbst wenn sie das bei Kollegenbetrieben miterleben, lassen sie noch lange nicht ihre eignen Konten prüfen. Das Vertrauen, vielleicht auch die Angst vor dem Konflikt mit der Bank, steckt tief in den Handwerkern und macht sie zu den bevorzugten Opfern der Bankinstitute. Kaufleute optimieren ihre Finanzen, Handwerker optimieren ihr Handwerk und vertrauen ihrer Bank blind. Die Konsequenz aus ihrer Blindheit bekommen sie oft erst zu spüren, wenn sie das Alter von 50 überschritten haben und ein großes Projekt platzt. Das Interview führte Verena Bast/Foto: Thomas Frey
Foto: 123rf
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